Aus dem Kapitel „Mündungsdelta“: Schiffsverkehr vor Kranwäldern im Europort Rotterdam. Fotografie: Hans Lurweg

Die Süddeutsche Zeitung berichtet am 8. August 2018 über das Niedrigwasser des Rheins und beziffert in einer der Überschriften der Printausgabe die Rheinlänge mit 1.232,7 Kilometern. Warum es sechs Kilometer mehr sein müssten, hat Hans Lurweg in einem Leserbrief an das Blatt erläutert. Hans Lurweg: „Ich will wirklich kleinlich erscheinen, aber es ärgert mich, wenn einerseits von offizieller Seite  Längenangaben mit einer Genauigkeit von drei Stellen nach dem Komma gemacht und andererseits ein simpler Rechenfehler nicht korrigiert wird.“ Rheinbuchautor Hans Lurweg bezieht sich dabei auf ein Dokument der „Internationalen Kommission zur Hydrologie des Rheins“ (KHR) zur Rheinlänge. Für die Niederlande berechnet das Utrechter Gremium 161,235 Kilometer, hat allerdings den Fehler in seiner Subtraktion 1032,78 Km Gesamtlänge minus 857,4 Km Länge in den Niederlanden minus 8,115 Km Korrektur wegen einer Maßüberschneidung an der deutsch-niederländischen Grenze = 161,235 Kilometer immer noch nicht korrigiert.

Hans Lurwegs Leserbrief an die SZ im Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die rheinische Hitze-Statistik in Ihrer Ausgabe 181 vom 8. August 2018. Die Sonne bringt es an den Tag. Ich beschäftige mich seit mehreren Jahren intensiv mit den veröffentlichten Zahlen zum Rhein. Für den Wirtschaftsprüfer (im Ruhestand) ist das sicher keine Schande, für den  Autor des Bildbandes „ERLEBNIS RHEIN“, 2017 im Klartext Verlag Essen erschienen, wohl aber eine Pflicht.

Es ist zumindest nicht korrekt formuliert, wenn in Ihrem Text, wie ja auch in den offiziellen Wasserwege-Zahlen auf Seite 15 des aktuellen Statistischen Jahrbuchs  865 Kilometer „in Deutschland liegen“.

Zwar zitieren Sie das Statistische Jahrbuch von 2017 korrekt, wenn Sie die Rheinlänge zwischen Konstanz und der Niederländischen Grenze mit 865 Kilometern angeben. Ich möchte darauf hinweisen, dass  auf der schweizerisch-deutschen Grenzstrecke des HOCHRHEINS zwischen Konstanz und Basel rund 35 Flusskilometer komplett – mit beiden Ufern – auf schweizerischem Gebiet liegen. Dasselbe  geografische Phänomen gilt auch für den Oberrhein zwischen Basel und Bingen. Hier fließt der Rhein rund 90 Kilometer auf rein französischem Gebiet.

Lassen Sie mich auch noch zu den 1.232,7 Kilometern Rheinlänge eine Anmerkung machen. Gerade die Süddeutsche Zeitung hat sich ja mit einer Doppelseite in der Wochenendausgabe vom 27./28. März 2010 um die „Karriere eines Zahlendrehers“ verdient gemacht. Den hatte der Biologe Bruno Kremer mit beherzten eigenen Recherchen ermittelt und die offizielle Längenangabe von 1.320 auf 1.230 Kilometer korrigiert. Offiziell reagiert hatte darauf das Rhein-Museum in Koblenz und 2012 in Heft 62 seiner „Beiträge zur Rheinkunde“ mit Bezug auf die Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR) die Länge des Rheins mit 1.238,8 Kilometern angegeben.

Dass nun die KHR 2015, also nur drei Jahre später, in ihrem (bis dato aktuellen) Längen-„Update“ auf sechs Kilometer weniger kommt, erklärt sich bei genauem Hinsehen als schlichter Rechenfehler. Um die niederländischen Rheinkilometer zu ermitteln, subtrahieren die Wasserkundler die Strecke bis zum niederländischen Nullpunkt „ Spijksche Veer“ bei Rheinkilometer 857,4 von den 1.032,78 Gesamtkilometern von den Quellen bis zur Mündung in Hoek van Holland. Das Ergebnis auf der Internetseite „chr-khr.org“ lautet 169,35 Kilometer. Wenn man nun diese Zahl zu den offiziellen der Schweiz (376 km) und Deutschlands (695,392 Km) addiert und das Ergebnis um 8,115 Kilometer Überschneidungen an der deutsch-niederländischen Grenze bereinigt, ist das Resultat tatsächlich 1.232,627 Kilometer. Der Schönheitsfehler dieser Rechnung: 1.032,78 minus 857,4 ergibt 175,38!

Die Kontrolle ist schnell erledigt. 175,38 Km (NL) plus 376 Km (CH) plus 695,392 Km (D) minus 8,115 Km Korrektur macht 1.238,657 km.

Um der Vollständigkeit willen blieb hier noch anzumerken, dass ich in den Niederlanden nachgefragt habe. Am 25. Januar 2016 schrieb mir Eric Sprokkereef, Sekretär der Kommission für die Hydrologie des Rheingebiets via Email ohne weitere Erläuterung der beschrieben „Maßnahmen: „Für den Niederländischen Teil des Rheins stimmt die wirkliche Länge des Flusses nicht mit der Rheinkilometrierung überein. In diesem Flussabschnitt hat es Kurvenbegradigungen gegeben, wonach die alte Kilometrierung nicht angepasst worden ist …“

Nun möchte ich keinesfalls den nörgelnden Besserwisser geben, kleinlich und engherzig erscheinen. Aber nur wer nachprüft kommt zum korrekten Ergebnis. Und mit dem letzten Satz in meinem Bildband „ERLEBNIS RHEIN – Faszinierende Ansichten des großen Flusses“ habe ich mit Sicherheit richtig gelegen: Das Thema ist im Fluss.“

Beste Grüße, Hans Lurweg

Dabei hatte sich die Süddeutsche schon einmal vor rund acht Jahren in einer großen Geschichte über Bruno Kremer mit der exakten Rheinlänge beschäftigt und dabei einen Jahrhundert-Irrtum ausgemacht. Der Kölner Biologe hatte recherchiert, dass „ein banaler Zahlendreher“ die damals gebräuchliche Rheinlänge von 1.320 Kilometern verursacht hat. Bruno Kremer im SZ-Interview vom 27. März 2010: „Mich hatte die Neugier gepackt und ich habe nachgemessen. Das ist so schwer nicht. Bei Konstanz steht die Kilometertafel 0, die Mündung des Rheins in Hoek van Holland liegt am Kilometer 1033. Diese Kilometerzählung gibt es seit 1939, und sie wird von niemandem bezweifelt – auch von mir nicht. Ich musste also nur noch den Bodensee und den Flussverlauf in der Schweiz nachmessen. Das habe ich mit Hilfe der neuesten amtlichen topografischen Karten getan. Ich kam auf eine Rheinlänge von insgesamt 1233 Kilometern – gemessen vom längsten Quell-Ast des Vorderrheins in Graubünden bis zur Mündung bei Hoek van Holland … Die Zahlenangabe der modernen Nachschlagewerke ist schlicht falsch. Es muss sich um einen banalen Zahlendreher handeln. Irgendwann um 1960 wurde wohl aus 1230 eine 1320. Dieser Fehler perpetuierte sich, weil offenbar einer vom anderen abschrieb.“